Was wir aus der Bundestagswahl 2013 lernen könnten

Nach der Wahl ist vor der Wahl. In Thüringen stehen in 2014 drei Wahlen an: Kommunalwahl, EU-Wahl und die Landtagswahl.

Die Gedanken einiger gehen schon in diese Richtung, auch im Rahmen der Wahlauswertung der Bundestagswahl.

Ich möchte mal ein paar Sachen aufschreiben, die immer wieder genannt werden, was jetzt besser werden muss – und diese dann entkräften.

These 1: Wir brauchen überall Direktkandidaten

Das ist ggf. für die Bekanntheit der Partei nützlich, weil Direktkandidaten zu Podiumsdiskussionen eingeladen werden. Aber der Effekt ist nicht messbar.

Im WK 192 und 190 hatten wir einen DK, im WK 196 nicht. Die Ergebisse in der Zweitstimme sind fast gleich: WK192: 2,6%, WK190: 2,1% und WK 196: 2,2.

Die 3 Wahlkreise sind strukturell vergleichbar. Viel Land und 1-2 größere Städte (50k Einwohner). Der Einfluss von Direktkandidaten wird also überschätzt.

These 2: Wir brauchen mehr Plakate

Da möchte ich wieder die Wahlkreise von These 1 vergleichen. Im Wahlkreis ohne Direktkandidat hingen weniger Plakate, als in den anderen beiden Wahlkreisen. Die Ergebisse stehen oben. Die Plakatierung spielt also keine große Rolle. Auch wenn man einzelne Gemeinden vergleicht, zeigt sich dieses Bild.

These 3: Wir müssen von unten (Kommunalparlamente) unsere Bekanntheit steigern.

Die Piraten in Hessen haben 34 Kommunalmandate. Die Piraten in Niedersachsen 62.
In Niedersachsen hatten wir 1,7% der Zweitstimmen – 0,5% unter Schnitt.
In Hessen 2,1% – 0,1% unter Schnitt.
Man könnte in Berlin das AGH auch als kommunale Vertretung interpretieren. Wenn nicht, sitzen wir dort auch in den Bezirksversammlungen – wir hatten zwar 3,6% – im Vergleich zur AGH-Wahl aber ein Absturz um rund 5%.
In den Städten in Thüringen, wo wir kommunal aktiv sind, sieht das Ergebniss so aus:

  • Gotha: 2,8% – 0,6 über Schnitt, in 2009 hatten wir 2,7% , Stiegerung um 0,1%
  • Eisenach: 2,2% – im Schnitt, in 2009 hatten wir 1,9% , Steigerung um 0,3%
  • Ilmenau: 4,2% – 2% über Schnitt, in 2009 hatten wir 6,1% , Verlust von 1,9%
  • Arnstadt: 2,5% – 0,3% über Schnitt, in 2009 hatten wir 2,4% , Steigerung von 0,1%
  • Weimar: 3,9% – 1,7% über Schnitt, in 2009 hatten wir 3,2% , Steigerung von 0,7%
  • Jena: 4,3 – 2,1% über Schnitt, in 2009 hatten wir 4,8% , Verlust von 0,5%
  • Gera: 1,7% – 0,5% unter Schnitt, in 2009 hatten wir 2,6% , Verlust von 0,9%
  • Altenburg: 2,5% – 0,3% über Schnitt, in 2009 hatten wir auch 2,5%
  • Erfurt: 2,9% – 0,7% über Schnitt, in 2009 hatten wir 3,4% , Verlust von 0,5%

Wir sehen einen gewissen Effekt von konstanter lokalpolitischer Arbeit. Wir hatten aber auch in den Städten, wo wir aktiv sind, Stimmverluste. Besonders in Ilmenau, Erfurt und Jena ist das sichtbar. Eine Verbindung zwischen den Stimmverlusten bei der BTW und der Arbeit vor Ort will ich nicht herstellen, weder im positiven noch im negativen Sinn. Eine Verbindung zwischen kommunalpolitischer Arbeit und den Wahlergebnissen zu Land- und Bundestagswahl gibt es meiner Meinung nach nicht.

Weiterhin erhielten wir in keiner Stadt, auch da nicht wo wir seit 2009 aktiv sind, über 5% der Zweitstimmen. Wir müssen aber gerade in diesen Städten deutlich über 5% holen, um die Gebiete am Rand von Thüringen, wo es keine Piraten gibt, abzufangen. Wir können uns also auch darauf nicht verlassen.

Auch die Freien Wähler sind in Thüringen in den Kommunalvertretungen, das auch deutlich länger als wir – die hatten 1,4% der Zweitstimmen. Über die Kommualparlamente kommen wir also nicht in den Land- oder Bundestag.

These 4: Wir müssen mehr mit Bürgerinitiativen (BIs) reden.

Das ist so erst mal richtig. Wir wollen Politik machen, um den Menschen zu helfen. Da die Menschen sich von der Politik alleine gelassen fühlen, gründen sie BIs. Wir werden dort auch gerne gesehen. Aber das sind Einzelkontakte, mit denen können wir in Thüringen in den kommenden 10 Monaten keine weiteren 62.000 Menschen im Vergleich zur BTW überzeugen, Piraten zu wählen.

These 5: Wir müssen mehr in die „Medien“.

Wir waren in Thüringen gefühlt täglich in den Zeitungen. Mal mit mehr Text, mal mit weniger. (Hier waren vor allem die Fragerunde zwischen den Direktkandidaten gut – s.o., ohne DK hätten wir da nicht teilgenommen).

Unsere Print-Medien-Präsenz war also gut. Der Effekt? Auch nicht messbar. Auch in den „Massenmedien“ waren wir vertreten. Es gab Berichte oder Leitartikel in den großen Zeitungen (Welt, Stern, Spiegel, Focus, FAZ usw.).

Einzig haben wir bei RTL und SAT1 usw. gefehlt, dort spielt aber Politik keine große Rolle und die anderen Parteien hatten auch nicht die Präsenz. Und überlegt mal – wir sind eine 2%-Splitterpartei. Unser Nachrichtenwert ist genauso wie bei den anderen kleinen Parteien. Und dafür waren wir gut vertreten.

Speziell zu Thüringen: wir haben den MDR. Wir freuen uns auch, wenn die über uns berichten. Aber wer schaut den MDR? Alte Leute. (im Schnitt 61 Jahre alt, Pro7: 35 Jahre [1]) Und alte Leute wählen konservativ (CDU) [2]. Also ist der MDR für die Landtagswahl für die Piraten vermutlich unmaßgeblich.

These 6: Wir müssen mehr in die „sozialen Medien“

Das wird immer wieder gesagt. Und das ist bestimmt auch nicht verkehrt. Aber kann jemand den Effekt messen? Nope. Daher betrachte ich das als vergebene Liebesmühe.

These 7: Wir brauchen mehr Infostände.

Hier gilt das Gleiche wie zu These 2: Gefühlt sind Infostände wichtig, das Feedback der Menschen gibt auch Kraft und der Name „Piratenpartei“ wird mehr in den Köpfen der Menschen verfestigt. Ich bezweifel aber den Effekt. Mit mehr Infoständen werden wir die fehlenden Stimmen nicht bekommen. Ende 2011 gab es kaum Infostände – unsere Umfrageergebnisse waren bei +/- 10%. Zur Bundestagswahl gab es viele Infostände. In einigen Städten sogar täglich. Dennoch gab es dort Stimmenverluste (siehe These 3, Jena, Erfurt).

So, das war jetzt sehr destuktiv. Ich bin mir auch nicht zu 100 Prozent sicher, ob der Text oben so stimmt. Bei den Wahlen haben so viele Faktoren einen Einfluss, dass man das wieso und warum nicht vollständig überblicken kann. Außerdem gabs bei mir die Weißheit auch nicht mit Löffeln zum Essen.

Und wisst ihr was: ich hab auch keine Lösung. Wenn ich eine Universallösung hätte, würde ich mich selbstständig machen und die Lösung den Parteien verkaufen.

Ich bin mir nur sicher, das mit den immer wieder kolportieren, oben genanntenThesen, die Situation nicht besser wird. Wir haben mit einem Wahlkampf, basierend auf den althergebrachten Methoden, eine Megaklatsche kassiert.

Wir müssen also in Hinblick auf die Landtagswahlen anders denken. Unsere bisherigen Mittel werden kaum reichen. Darüber müssen wir gemeinsam reden. Unter anderem wird es zu diesem Zweck zum kommenden Landesparteitag eine Aussprache auf der Tagesordnung geben.

 

[1]: http://de.statista.com/statistik/daten/studie/183279/umfrage/durchschnittsalter-der-fernsehzuschauer-nach-sender/

[2]: http://wahl.tagesschau.de/wahlen/2013-09-22-BT-DE/umfrage-alter.shtml